Detailansicht

 

Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie (AKJP) 155, 3/2012
Identität und Migration
Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie 155
Mit Beiträgen von Angelika Bender, Mahrokh Charlier, Heidemarie Eickmann, Wolfram Gekeler, Felicia Heidenreich-Dutray, Ilgin Odag, Avi Rybnicki, Lisa Werthmann-Resch
1. Aufl. 2012
152 S., Pb.
19,90 €
vergriffen, keine Neuauflage * Bestellung abgelegt

 

 

 

 

 

Inhalt


Vorwort

Mahrokh Charlier
Geschlechtsspezifische Entwicklung in patriarchalisch-islamischen Gesellschaften und deren Auswirkung auf den Migrationsprozess

Ilgin Odag
Unverarbeitete Trauer und Identitätsfindung von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien

Heidemarie Eickmann
»Deutschland – das war für uns gleichbedeutend mit Schokolade« Überlegungen zu der analytischen Psychotherapie mit einer jugendlichen Patientin aus Kasachstan

Wolfram Gekeler
»Es ist einfach ein fremdes Land« Aus der Behandlung eines 9-jährigen türkisch-kurdisch-deutschen Jungen

Avi Rybnicki
Ist psychoanalytische Arbeit in Israel wirklich möglich nach der Shoah und im Schatten des arabisch-israelischen Konflikts?

Werkstattbericht
Angelika Bender
»Wenn du sagen empfindliche Wörter, ich gehen«
Von der Schwierigkeit, eine gemeinsame Sprache zu finden

Forum
Felicia Heidenreich-Dutray
Ethnopsychoanalytische Arbeit mit Migranten
Erfahrungen aus der Klinik Avicenne

Filmbesprechungen
Lisa Werthmann-Resch
Pedro Almodovar (1999): Alles über meine Mutter

Heidemarie Eickmann
Fatih Akin: Auf der anderen Seite

 

 

 

 

 

 
E-Books zu diesem Titel:

Gesamtheft (AKJP 155, E-Journal) Format: pdf
Preis: 18,50 €


Beitrag: Wolfram Gekeler, »Es ist einfach ein fremdes Land«. Aus der Behandlung eines 9-jährigen türkisch-kurdisch-deutschen Jungen (AKJP 155, E-Journal) Format: pdf
Preis: 7,90 €
Das Komplex-Modell der Analytischen Psychologie bietet sich für die Arbeit mit Kindern und Familien mit Migrationserfahrungen an, da es eine umfassende Betrachtung der verschiedenen Bewusstseinsebenen vom persönlichen Schicksal über die jeweiligen kulturellen Ausprägungen bis hin zu global gültigen archetypischen Strukturen ermöglicht.

Schlüsselwörter: Kinderpsychotherapie, Migration, Fremde, Komplex, C. G. Jung.

Beitrag: Ilgin Odag, Unverarbeitete Trauer und Identitätsfindung von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien (AKJP 155, E-Journal) Format: pdf
Preis: 7,90 €
In der psychotherapeutischen Arbeit mit Kindern, deren Eltern einen Migrationshintergrund aufweisen, begegnen wir spezifischen Schwierigkeiten, die der Gefahr unterworfen sind, in Folge von Integrationswünschen für unsere Patienten übersehen zu werden. Insbesondere in ihrer Identitätsbildung sind diese Patienten einer besonderen Herausforderung ausgesetzt, da sie die Großgruppenidentität des Herkunftslandes ihrer Eltern nicht in gleichem Maße fortsetzen können.
Dieser Bruch im Kontinuitätserleben führt zur Irritation des Selbst-Bildes unserer Patienten. Die meist unverarbeitet gebliebene Trauer um die verlorengegangenen heimatlichen Begegnungen führt zu Funktionsstörungen der Elterngeneration, was die Entwicklung der Töchter und Söhne erheblich beeinträchtigt. So sind die Eltern beispielsweise weniger zur Symbolisierung in der Lage, sind sehnsüchtig depressiv verstimmt, unterliegen affektiven Durchbrüchen und nutzen ihre Kinder häufig zur Stabilisierung ihres Selbst.
Neben ich-stützenden Interventionen und der Bearbeitung der inneren Konflikte unserer Patienten mit Migrationshintergrund ist es von ungeheurer Bedeutung, den kulturellen Überbau als Chance der Selbstfindung zu integrieren, auf ihre familiären Ressourcen neugierig zu bleiben und ihre traditionellen Haltungen wertzuschätzen. Erst mit der Annahme des »Fremden« ist es möglich, narrative Prozesse im Selbst in Gang zu setzen, d. h. zwischen den Repräsentanzen des Herkunftslandes und der hiesigen Gesellschaft Brücken anzubieten und diese im Rahmen der Identitätsfindung unserer Patienten zu nutzen.

Schlüsselworte: Separation, Migration, Entfremdung, Narzissmus, therapeutische Prozesse.

Beitrag: Avi Rybnicki, Ist psychoanalytische Arbeit in Israel wirklich möglich nach der Shoah und im Schatten des arabisch-israelischen Konflikts? (AKJP 155, E-Journal) Format: pdf
Preis: 7,90 €
Die Shoah war für die Menschheit eine enorme Tragödie. Zusätzlich warf sie sehr ernste ethische Fragen auf bezüglich der Bedeutung des wissenschaftlichen Diskurses, da es unmöglich ist, sich die Nazi-Maschinerie der Vernichtung erfolgreich vorzustellen ohne die Unterstützung durch den Glauben an »wissenschaftliche Objektivität« und seiner verzerrten Wahrnehmung der Ethik Kants. Psychoanalyse wurde auch im Schatten der Wissenschaft geboren und im selben kulturellen Raum. Und dennoch versuchte die Psychoanalyse Freuds, sich dem Subjektiven zuzuwenden. In diesem Zusammenhang nimmt das Freudsche Unbewusste eine politische Dimension an. Unter anderem deshalb wurde die Psychoanalyse während der Zeit des Nazi-Regimes in Mitteleuropa fast ausgelöscht. Für die Psychoanalytiker, die flüchten konnten, war es manchmal schwierig, die Freudsche psychoanalytische Ethik beizubehalten. Das wird anhand von Ausführungen zu dem Engagement von Analytikern in der zionistischen Bewegung in Israel-Palästina und im Weiteren im israelisch-arabischen Konflikt dargestellt. Unter anderem kann das massive Involviertsein in kollektive Vorgänge zu einer völligen Identifizierung damit führen. Diese behindert das analytische Zuhören. Durch Fallvignetten werden diese Probleme illustriert.

Schlüsselwörter: Psychoanalytische Theorie, Unbewusstes, Ethik, Signifikant, Shoah.

Beitrag: Felicia Heidenreich-Dutray, Ethnopsychoanalytische Arbeit mit Migranten. Erfahrungen aus der Klinik Avicenne (AKJP 155, E-Journal) Format: pdf
Preis: 7,90 €
Die französische ethnopsychoanalytische Psychotherapie und Forschung sind im deutschsprachigen Raum nur unzureichend bekannt. Seit den 1980er Jahren ist in Frankreich zunächst von Tobie Nathan und später von Marie Rose Moro und anderen eine spezifische Therapieform für Patienten mit Migrationshintergrund entwickelt worden. Dieser Artikel hat zum Ziel, die theoretischen Grundlagen und den praktischen Rahmen der ethnopsychoanalytischen Arbeit vorzustellen und kritisch zu beleuchten. Die Autorin hat über mehrere Jahre mit Marie-Rose Moro im Hôpital Avicenne in der »consultation ethnopsychiatrique« als Kotherapeutin gearbeitet und konnte so diesen besonderen therapeutischen Rahmen und seine Effizienz selbst erfahren.

Schlüsselwörter: Psychoanalytische Psychotherapie, Gruppenpsychotherapie, Kultur, Kinder-und Jugendpsychiatrie, Migration.

Beitrag: Mahrokh Charlier, Geschlechtsspezifische Entwicklung in patriarchalisch-islamischen Gesellschaften und deren Auswirkung auf den Migrationsprozess (AKJP 155, E-Journal) Format: pdf
Preis: 7,90 €
Durch die Migrationsbewegung der letzten Jahrzehnte ist Europa für viele Menschen aus traditionellen, muslimisch-patriarchalischen Gesellschaften zur neuen Heimat geworden. Inzwischen stellt sich heraus, dass die Migrationsprozesse in der Regel von erheblichen Identitäts- und Integrationskonflikten begleitet sind, die nach einer bewussten Auseinandersetzung und Bewältigung verlangen. Die Autorin vertritt die These, dass die geschlechtsspezifische Sozialisation in islamisch-patriarchalischen Gesellschaften zu einem kulturell anderen Verständnis der sexuellen Identität und einer anderen Regelung des Verhälnisses zwischen den Geschlechtern führt. Als einen entscheidenden Faktor der Sozialisation in patriarchalischen Kulturen sieht sie die Geschlechtertrennung, die Aufspaltung des Lebensraums in eine öffentliche Männer- und eine private Frauenwelt. Infolgedessen wird die kulturell entwertete Frau zu einem mächtigen, fast alleinigen Objekt der primären Sozialisation des Kindes. Der allmächtige, ehrfürchtige und ehrwürdige Vater bleibt für das Kind unnahbar, so dass der Ambivalenz- und ödipale Konflikt und die Überichentwicklung einen anderen Ausgang als in den westlich-säkularen Gesellschaften nehmen. Das Zusammenbrechen des kulturellen Regulationsmechanismus der Geschlechtertrennung im Migrationsland hat für Männer und Frauen jeweils unterschiedliche Folgen.

Schlüsselwörter: Patriarchat, Islam, ethnische Abwehrmechanismen, Geschlechtertrennung, Migration.

Beitrag: Heidemarie Eickmann, »Deutschland – das war für uns gleichbedeutend mit Schokolade«. Überlegungen zu der analytischen Psychotherapie mit einer jugendlichen Patientin aus Kasachstan (AKJP 155, E-Journal) Format: pdf
Preis: 7,90 €
Anhand einer Fallvignette aus einer Behandlung mit einer bei Therapiebeginn knapp sechzehnjährigen Patientin aus Kasachstan wird der Frage nachgegangen, ob es Besonderheiten bezüglich des Konfliktverständnisses und der Technik im Umgang mit Patienten aus der ehemaligen Sowjetunion, hier den sogenannten Russlanddeutschen, gibt, die in den Behandlungen Beachtung finden sollten.

Schlüsselwörter: Migration, Traumatische Neurose, Anpassung als Abwehrmechanismus, Identitätsbildung, Sprache, Psychodiagnostik.

Beitrag: Angelika Bender, »Wenn du sagen empfindliche Wörter, ich gehen«. Von der Schwierigkeit, eine gemeinsame Sprache zu finden (AKJP 155, E-Journal) Format: pdf
Preis: 7,90 €
Kinder von Migranten zeigen in der für sie fremden Gemeinschaft oft ein anderes Verhalten als zu Hause. Gesten, Haltungen, Erwartungen, körperbezogene Signale können in ihrer Herkunftsfamilie völlig verschieden sein, und diese Diskrepanz verwirrt die Kinder oft so sehr, dass sie sich in die Sprachlosigkeit zurückziehen. Das Schweigen der Patienten – oder die Bedeutungsleere der Wörter – nimmt dem Therapeuten die Sicherheit, die er als Wissender hat, und lässt ihn die Haltlosigkeit des Patienten spüren.
Damit ist das Aushalten der Gefühle des Nichtverstehens und des Ausgeschlossenseins eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen einer Therapie mit Migranten.
Ein weiteres Problem ist die Gefahr des Abbruches der Therapie. Sie schwingt im sprachlosen Raum mit. Ein türkischer Vater drückte das in einem Erstgespräch so aus: »Wenn Du sagen empfindliche Wörter, ich gehen.« Die Hemmschwelle, die therapeutische Beziehung zu beenden und alles aufzugeben, ist gering. Die Patienten selbst oder deren Eltern sind den Schritt des Verlustes der Heimat schon einmal gegangen. So ist die Gefahr der Reinszenierung des Traumas gut im Auge zu behalten. Gemischt mit der Angst vor dem Fremden, erhöht sich die Gefahr eines Abbruchs. Eine wichtige therapeutische Aufgabe vor allem zu Beginn einer Behandlung besteht somit darin, das Ausagieren eines Abbruchs zu verhindern.
Eine weitere große Klippe für Migrantenkinder ist deren Konflikt zwischen Zugehörigkeit und (autonomer) Individualität. Das Zugehörigkeitsgefühl entsteht nach Cohen dort, wo Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Anerkennung erfahren werden. Diese geben ein Gefühl von Sicherheit und sind »die Voraussetzung zum Leben« (Cohen, 2004, S. 31). Autonomie hingegen entwickelt sich, wenn ambivalente Einstellungen ausgehalten werden. Die Tendenz zur Spaltung ist um so größer, je strenger die Zugehörigkeit an ethisch-moralische Regeln gebunden
ist.

zum Anfang      zurück