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Selbstpsychologie 28, /2007
Therapeutische Beziehungen in der Adoleszenz
Therapeutic Relationships in Adolescence
Selbstpsychologie 28
Mit Beiträgen von Marco Bernabei, Dieter Bürgin, Andrea Harms, Susanne Hauser
1. Aufl. 2007
232 S., Pb.
24,90 €
vergriffen, keine Neuauflage * Bestellung abgelegt

Inhalt


Dieter Bürgin
Wie entstehen (therapeutische) Beziehungen?

Susanne Hauser
Das verlorene Selbst: Auswirkungen früher Verlusterfahrungen auf die adoleszente Entwicklung des Selbst

Marco Barnebei
Hanging by a thread: Telephone therapy with the parents of an adolescent fleeing from school

Andrea Harms
Adoleszenzspezifische Prozesse in Übertragung und Gegenübertragung in der Psychotherapie Erwachsener



Abstracts


Dieter Bürgin
Wie entstehen (therapeutische) Beziehungen?

Die Beziehungsentwicklung beginnt gleich nach der Geburt. Sie ist mit einem angeborenen Streben nach zwischenmenschlichen Interaktionen verknüpft. Die Entwicklung der Selbst- und der Objektrepräsentanzen ist ein komplexer Vorgang, der von den Entwicklungsschritten des Individuums und der darauf abgestimmten Qualität des Beziehungsangebots der jeweiligen Umwelt abhängt. Er läuft bereits bei seiner Entstehung und auch danach auf mindestens einem triadischen, wenn nicht sogar polyadischen Niveau ab. Die frühkindlichen Beziehungsstrukturen wandeln sich in diese des Kleinkindes und finden einen ersten Kulminationspunkt in der Ödipalität der Vorlatenzzeit. Während der Latenz werden unzählige Variationen ausprobiert. Aber erst in der Adoleszenz kommt es, unter dem Diktat der pubertären biologischen Veränderungen, zu einem nochmals massiven Umbau der intrapychischen und interpersonalen Beziehungsstrukturen. Das Phänomen der Nachträglichkeit spielt bei jeder Revision der Beziehungsstrukturen im Verlaufe der Entwicklung eine wesentliche Rolle. Im Verlaufe eines analytischen Prozesses werden nicht nur frühkindliche und ödipale, sondern auch adoleszentäre Beziehungsqualitäten reaktiviert.


Susanne Hauser
Das verlorene Selbst: Auswirkungen früher Verlusterfahrungen auf die adoleszente Entwicklung des Selbst

John Bowlbys Theorie ist immer noch aktuell und hilfreich beim Verständnis von Trauerprozessen bei Kindern und Jugendlichen. Zwei Fälle werden dargestellt und vor dem Hintergrund der Theorie von Bowlby und Mary Main diskutiert. Anhand dieser Falldarstellungen soll ebenso gezeigt werden, dass das Sprichwort »Zeit heilt alle Wunden« nur teilweise zutreffend ist. Pathologische und blockierte Trauerprozesse wirken sich nachteilig auf die weitere Entwicklung aus. Insbesondere in der Kindheit hängt die Fähigkeit zu trauern von einer sicheren Bindung ab. In beiden Fällen konnte der jeweilige Elternteil aufgrund eigener Schwierigkeiten die Tochter nicht hinreichend emotional bei der Trauerarbeit unterstützen. Der therapeutische Prozess zeigt dass es notwendig und erfolgreich ist, den blockierten Trauerprozess wieder aufzunehmen um so die Spaltung des Selbst zu überwinden und zu einer Selbstintegration beizutragen. In der heutigen Zeit kommt es auch zu Verlusterfahrungen, wenn Eltern sich trennen und der Kontakt über längere Zeit abreißt. Somit taucht die Verlustthematik in der therapeutischen Arbeit öfter auf als wir meinen.


Marco Barnebei
Hanging by a thread: Telephone therapy with the parents of an adolescent fleeing from school

Diese Arbeit versucht zu zeigen, wie die Therapie mit den Eltern eines Adoleszenten, die über längere Zeit über das Telefon stattfand, im Umgang mit jungen Menschen, die in Gefahr sind, einen psychotischen Zusammenbruch zu erleiden, hilfreich sein kann. Sie zeigt auf, dass der Hauptzweck dieser Art von Therapie darin besteht, ein Elternpaar so aufzubauen, dass es wirklich in der Lage ist, in der Beziehung zu ihrem Sohn auch als solches zu funktionieren. Ich werde zeigen, wie sich die Einbindung des Vaters in diese Art von Therapie in dem Maß steigerte, in dem sich die therapeutische Beziehung zum Elternpaar während der wiederholten telefonischen Sitzungen konsolidierte. Das Symptom »Krise in der Beziehung zur Schule« wird ständig im Auge behalten, um zu zeigen, wie zuviel Beachtung des schulischen Versagens die Eltern davon abhält, zu einer einerseits authentischeren und tieferen, aber auch frustrierenderen und schmerzvolleren Beziehung zu ihrem adoleszenten Sohn und seinen komplexen Problemen zu finden. Ich weise in meiner Arbeit darauf hin, dass, obwohl die telefonisch übermittelten Worte von ihrem Inhalt her nicht speziell haltgebend waren, die Art des »körperlichen Gehaltenwerdens«, die durch die Stimme und ihre Intonation vermittelt wird, zu einem signifikanten therapeutischen Faktor für Erwachsene wird, die zur Intellektualisierung neigen.


Andrea Harms
Adoleszenzspezifische Prozesse in Übertragung und Gegenübertragung in der Psychotherapie Erwachsener

Zeitgenössische Konzepte betrachten die erfolgreiche psychoanalytische Behandlung als einen Entwicklungsprozess. Hierbei spielen nicht nur regressive und sekundär progressive, sondern auch primär progressive Aspekte eine wichtige Rolle. Wichtige Stationen normaler Entwicklung, wie wir sie aus der Adoleszenz kennen, können auch im Erwachsenenalter den Verlauf einer Behandlung wesentlich bestimmen. Die für die Adoleszenz typische Intensität des Nebeneinanders regressiver und progressiver Strebungen zu erkennen und nicht ausschließlich als frühes Entwicklungsdefizit (oder auch als »borderline functioning«) fehlzudeuten, ermöglicht es, bestimmte Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene besser nachzuvollziehen und in ihrer Funktion zu verstehen. Ein klinisches Beispiel soll verdeutlichen, wie das Verständnis adoleszenztypischer Dynamiken auch die Behandlung einer Erwachsenen besser nachvollziehbar werden lässt und das Spektrum der möglichen Antworten der Analytikerin auf die Bestrebungen ihrer Patientin erweitert.
 
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