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Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie (AKJP) 110, 2/2001
Behandlungstechnik/Elternschaft
Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie 110
Mit Beiträgen von Anne Alvarez, Frank Dammasch, Jürgen Heinz, Erika Mertens, Francisco Palacio Espasa, Angelika Wolff
1. Aufl. 2001
152 S., 
19,90 €
vergriffen, keine Neuauflage * Bestellung abgelegt

 

 

Inhalt


Anne Alvarez
Über den unterschiedlichen Gebrauch der Gegenübertragung bei neurotischen, Borderline- und psychotischen Patienten

Francisco Palacio Espasa
Der Ort der depressiven Konfliktualität in der analytischen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie

Angelika Wolff
Veränderte Familienformen: Über die Bedeutung der leiblichen Eltern in der inneren Welt des Kindes

Frank Dammasch
Das Vaterbild in den psychoanalytischen Konzepten zur kindlichen Entwicklung
Ein Beitrag zur aktuellen Triangulierungsdebatte

Jürgen Heinz
Väter in der begleitenden Psychotherapie

Erika Mertens
Analytische Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen
Überlegungen zu einer beruflichen Standortbestimmung



Abstracts


Anne Alvarez
Über den unterschiedlichen Gebrauch der Gegenübertragung bei neurotischen, Borderline- und psychotischen Patienten

Es soll deutlich gemacht werden, dass die angemessene Verarbeitung der Gegenübertragung sowohl die Beachtung der Gefühle des Therapeuten und eine Vorstellung davon, wo diese Gefühle im Patienten ihren Ursprung haben könnten, beinhaltet als auch eine Ahnung davon, wie der Patient die Interpretation aufnehmen kann. Seine Fähigkeit wird abhängig sein von der Ebene seiner emotionalen/kognitiven Entwicklung und von der Dringlichkeit seiner Bedürfnisse. Ein Wunsch ist weniger drängend als ein zwingendes Bedürfnis nach Entwicklung. Im ersten Beispiel, dem des neurotischen Mädchens, war es relativ einfach, ihr zurück zu geben, was sie projiziert hatte. Ihre Projektionen waren weder von großer Verzweiflung getrieben, noch war ihr Ich unfähig, die Re-Introjektion zu verarbeiten. Im zweiten Beispiel, dem des behinderten Mädchens, war es notwendig, die Gefühle in der Therapeutin zu bewahren (projektive Identifikation war am Werk, aber als ein verzweifeltes Bedürfnis, etwas Undenkbares mitzuteilen; Bion, 1962). Der autistische Junge im dritten Fall war zu krank und zu verloren, um projizieren zu können. Deshalb musste die Therapeutin sich zu ihm hinbewegen, ihn zurückholen und lebensrettende und lebensbejahende Funktionen übernehmen. Im vierten Fall, dem des borderline-schizoiden Mädchens, musste die Therapeutin alle drei Funktionen erfüllen. Wir müssen als Therapeuten nicht nur aufmerksam beobachten, woher unsere Gefühle von Empörung, Schrecken, Verzweiflung oder Sympathie kommen, sondern darauf achten, wie wir damit umgehen und ob und wie viel davon dem Patienten zurückgegeben werden kann und in welcher Form. Es ist leichter, darüber zu schreiben, als es zu tun!


Francisco Palacio Espasa
Der Ort der depressiven Konfliktualität in der analytischen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie

In dieser Arbeit wird der Ort der depressiven Konfliktualität in der analytischen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie in ihren unterschiedlichen Modalitäten behandelt.
Anhand therapeutischer Eltern-Kind-Interventionen werden (neurotische, masochistische und narzisstische) Konflikte der Eltern beschrieben. In Abhängigkeit von deren »positiver oder negativer Vorübertragung« lassen sich daraus Kriterien für Indikation oder Kontraindikationen dieses psychotherapeutischen Ansatzes bestimmen. Dabei wird die zentrale Rolle der Trauer und der elterlichen Schuldgefühle hervorgehoben, deren Bearbeitung das Hauptziel dieser Therapien sein sollte.
Die schnellen Erfolge, die in Eltern-Kind-Settings zu erzielen sind, sofern sich der Therapeut auf die depressive Problematik der Eltern konzentriert, führen zu einer Neubewertung des Orts der depressiven Konfliktualität in der analytischen Theorie und der Praxis der individuellen Therapie.
Auf der technischen Ebene wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, die Deutungsarbeit auf die depressiven Affekte und insbesondere auf die infantile Omnipotenz zu zentrieren, die den aggressiven Phantasien am Ursprung der niederschmetternden Schuldgefühle zugeschrieben wird. Diese bilden die Grundlage sehr regressiver Abwehrmechanismen und sind daher eine Quelle starker Übertragungswiderstände. Zur Illustration wird ein Beispiel aus der Arbeit Melanie Kleins herangezogen.
Berücksichtigt die Deutung dagegen die Art der depressiven Konfliktualität und versucht, die omnipotenten Schuldgefühle in der Übertragungsbeziehung zu lindern, wird dadurch das therapeutische Bündnis gestärkt sowie der psychotherapeutische Prozess angeregt und beschleunigt.


Angelika Wolff
Veränderte Familienformen: Über die Bedeutung der leiblichen Eltern in der inneren Welt des Kindes

Angesichts der gesellschaftlichen Realität veränderter Familienformen – auch Lego- und Patchworkfamilien genannt – beschäftigt sich diese Arbeit mit der Bedeutung, die die leiblichen Eltern dennoch psychobiologisch unausweichlich in der inneren Welt des Kindes haben. Selbst dann, wenn keine positive libidinöse Besetzung eines leiblichen Elternteils vorgenommen werden konnte, weil dessen Existenz dem Kind gar nicht bekannt wurde, sind – wie an einem Fallbeispiel gezeigt wird – unbewusste Repräsentationen dieses Teils der Lebensgeschichte vorzufinden und von weitreichender psychischer Bedeutung. Anhand einer ausführlichen Falldarstellung werden die Thesen der Arbeit exemplarisch belegt.


Frank Dammasch
Das Vaterbild in den psychoanalytischen Konzepten zur kindlichen Entwicklung
Ein Beitrag zur aktuellen Triangulierungsdebatte

In einem chronologischen Überblick über verschiedene Phasen der psychoanalytischen Theorieentwicklung wird aufgezeigt, wie die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung des Kindes nach Freud immer mehr in den Hintergrund gerät. Während in jüngerer Zeit einerseits die Säuglingsforschung relativ beharrlich den Vater aus der Kindesentwicklung ausblendet, wird andererseits im Rahmen der Diskussion um die Bedeutung der Triangulierung der Wert unterschiedlicher Funktionen des Vaters wieder in den Blickpunkt gerückt. Dabei muss zwischen der Bedeutung eines neutralen Dritten im Übergangsraum zwischen Mutter und Realität, dem symbolischen Vater als Gesetzgeber im Innern der Mutter und der Bedeutung eines realen Vaters als sinnlich erfahrbarem Mann unterschieden werden. Bevor das Kind den Dritten in seiner männlichen Andersartigkeit ödipal triangulierend zur Erweiterung der inneren Objektwelt gebrauchen kann, stellt es zunächst eine Beziehung zur inneren Mutter des präödipalen Vaters her. Auf der Basis dieser Unterscheidung versucht der Autor, einen dreistufigen Prozess der Triangulierung zu skizzieren, bei dem die potenzielle, die frühe und die ödipale Triangulierung miteinander in Beziehung gesetzt werden.


Jürgen Heinz
Väter in der begleitenden Psychotherapie

Der Beitrag gliedert sich in drei Teile, denen sich eine abschließende Reflexion mit fragenden Ausblicken anschließt. Im ersten Teil nähere ich mich dem Begriff »Vater« mit Darstellungen sprachwissenschaftlicher, historischer und soziologischer Untersuchungen und zeige dabei, dass die Situation von Vätern in Deutschland auf der langen abendländischen patriarchalischen Tradition beruht, zugleich aber vor allem im Zusammenhang mit der Frauenbewegung radikal in Frage gestellt wird. In einer kleinen sozialwissenschaftlichen Studie habe ich unter der Mitarbeit von drei KollegInnen untersucht, wie Väter in der begleitenden Psychotherapie der Bezugspersonen mitwirken. Die Ergebnisse finden sich im zweiten Teil sowie in den Grafiken. Im dritten Teil berichte ich in einem Fallbeispiel ausführlich von der begleitenden Psychotherapie eines Elternpaares, das sich im Laufe der Behandlung seines Sohnes trennt. Mein Fokus liegt auf der Darstellung meiner Arbeit mit dem Vater und der Bedeutung des zuerst ›anwesenden‹ und dann ›abwesenden‹ Vaters für den Patienten wie für die gesamte Familie. Ich beziehe mich dabei auf das Konzept der »Triangulierung« aus dem Kontext der Objektbeziehungstheorie sowie das Konzept des »szenischen Verstehens«.


Erika Mertens
Analytische Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen
Überlegungen zu einer beruflichen Standortbestimmung

Die Autorin bezieht sich auf die von Kernberg postulierten Ausbildungsanforderungen höchsten Standards für Kliniker der psychoanalytischen und psychoanalytisch fundierten supportiven Psychotherapie Erwachsener und setzt sie in Parallele zu den theoretischen und klinischen Erfordernissen für die Ausübung analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psycho¬therapie. Es wird auf die wachsenden theoretischen und klinischen Forschungsergebnisse und Veränderungen verwiesen, welche eine umfassende Ausbildung in Theorie, Lehranalyse und klinischer Praxis unumgänglich machen. Im Vergleich zwischen Kinderanalyse und ihrer Modifikation der Kinderpsychotherapie versucht die Autorin, die schwierigeren Bedingungen für Therapeuten und Patienten in der niedrig frequenten Psychotherapie transparent zu machen, was nicht nur für die analytische, sondern auch für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie gilt.
Die Schlussfolgerung der Autorin ist folgende: Modifizierte therapeutische Behandlungen erfordern sehr viel Wissen und Erfahrung und sollten als integriertes Konzept (ähnlich den Forderungen Kernbergs) psychoanalytischer Behandlungsformen gelehrt werden und nicht umgekehrt, wie das Gesetz es vorgibt: keine reduzierte Ausbildung für die Ausübung niedrig frequenter Behandlungen. In diesem Zusammenhang betont die Autorin weiter, wie lohnend die Erfahrung für jeden Kindertherapeuten ist, eine Behandlung einmal höher frequent durchzuführen, weil dies gerade Erleichterungen in der Arbeit mit modifizierteren Formen von Therapie mit sich bringt. Wenigstens einen analytischen Fall mit höherer Frequenz und der Gelegenheit, die Pathologie des Patienten in ihrer Tiefe erlebt und behandelt zu haben, würde nach Überzeugung der Autorin allen Kindertherapeuten Profit bringen, auch wenn sie überwiegend und nolens volens mit der Durchführung von Psychotherapien engagiert sind.

 

 

 
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